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06.11.2007 - 20.11.2007 Sudan Wadi Halfa - der Gottverlassenste Ort auf Erden. Schon die ersten Schritte auf Sudanesischem Boden bereiten uns einen schalen Beigeschmack. Zu Begrüssung und natürlich nur zu unserem Vorteil und Vereinfachung der Einreisebürokratie dürfen wir erst einmal 50 Dollar pro Person und 45 Dollar fürs Auto als bescheidenes Entgelt für die grossartige, selbstlose Hilfe unseren neuen Sudanesischen Freunde zur Verfügung stellen. Die verdammte Abzockerbande hat uns in der Hand, denn wir wollen ja schliesslich am nächsten Morgen unser Auto aus dem Hafen bekommen. Fröhlich und überglücklich endlich mit unserem lieben Freund auf vier Rädern wieder aufbrechen zu können starten wir auf schöner Piste Richtung Süden. Die Piste ist gut und wir geniessen nach endlosen perfekten Asphaltstrecken die erste Piste mit gehobener Anforderung an Fahrer und Auto - dafür also haben wir unser Volvo Spitzenmodell erstanden. Schon bald jedoch wird die Qualität der Piste schlechter und die Ersten Schäden sind zu Verbuchen. Peter hat einem Plattfuss, Stefans Batterie verabschiedet sich, Alex muss aufpumpen und unser Kompressor macht schlapp. Während Peter flickt erkunden wir die Umgebung und entdecken (vermutlich) ein Lager aus dem ersten oder zweiten Weltkrieg. Wir als Hobby-Archäologen kombinieren messerscharf: Champagner war Hauptnahrungsmittel gewesen. Mit neuen Funden (Patronenhülsen, Uniformknöpfen, Esel-Hufeisen und einem ausgeblichenem Ziegenhorn) geht es weiter in Richtung Nil. Endlich können wir unseren Ägyptischen Idolen nacheifern. Hufeisen und Horn erklären wir zur “afrikanischen” Variante von LEDs und Galionsfiguren auf dem Kühler. Mit dem aufgemotzten Autom hüpfen wir gleich viel “beflügelter” über die Wellblechpiste. Die Löcher werden stetig grösser und wir lernen Fesch Fesch kennen, der übelste Feinstaub der Welt. Trockener gemahlener Schlamm, der sich in jeder Ritze, jedem Löchlein und jeder Hautfalte absetzt. Leider macht Carmen, bei einem Flug über den Lenker, unliebsam nahe Bekanntschaft damit. Hier zeigt sich eindeutig der Vorteil der Gruppe, jeder macht das, was er kann: Stefan sichert die Unfallstelle, Alex kocht Kaffee, Grit und Katja leisten Erste Hilfe und seelischen Beistand, Peter und Matthias kümmern sich um das arg lädierte Motorrad und Bob Marley singt. Mit Verband, improvisierten Kühlkompressen und einem notdürftig geflickten Motorrad geht es noch ein paar Kilometer weiter und früh finden wir einen malerischen Schlafplatz am Rande eines grossen ausgetrockneten Flussbettes. Wir blicken auf vom Wind zerklüftete Felsskulpturen. Durch einsame Mondlandschaften, endlose Schutthalden, elegante Bergmassive (selbst unsere Schweizer fühlen sich ans Matterhorn erinnert) und unglaublich viel Staub nähern wir uns dem 11. November. Eingerahmt von aufgetürmten runden Felsblöcken verbringen wir die Nacht zu Grits Geburtstag. Von Grits Traum, ihren Geburtstag in Ihrem Geburtsland zu feiern, sind wir leider weit entfernt. Da wir Grit an diesem Tag nicht mehr nach Kenia bringen können, bringen wir Kenia zu Grit. Wir improvisieren eine Parade der Tiere Afrikas, die Grit vom Dach unseres Autos beobachten kann. Was denkt wohl der Beduine, der von einem Felsen das Spektakel aus der Ferne beobachtet? Ganz klar: “Karneval hat begonnen” Wir machen uns auf, um steinzeitliche Felsmalereien zu suchen und scheitern dabei am vielleicht grössten Rätsel des Sudan: Die Landkarte sagt, die Zeichnungen seien “LINKS vom Nil”, die offiziellen GPS Koordinaten der Zeichnungen liegen “MITTEN im Nil” und die ortskundigen Sudanesen meinen, die Zeichnungen seinen “RECHTS vom Nil” Nach einer windigen Nacht erreichen wir Dongola. Erleichtert lassen wir die Wellblech-, Stein-, Sand- und Staubpisten des Nordsudans hinter uns. Nie mehr Staubwolken in und um unsere Autos, in denen man die Hand vor den Augen nicht sehen kann - hoffen wir. Doch Dongola hat viel mehr zu bieten als nur den Beginn der Asphaltstrasse. Dem Besitzer eines kleinen Kaffees verhelfen wir zum Geschäft seines Lebens. Wir frühstücken bei ihm ein paar “Kringlies” (Schmalzgebäck) und binnen Minuten ist sein Laden brechend voll von Schaulustigen, die uns Ferenghis beobachten und uns mit ihren Handys verstohlen fotografieren. Inzwischen sind wir auch Besitzer etlicher Telefonnummern von hilfsbereiten Sudanesischen neuen “Freunden” Leider nimmt unsere Fahrt hier eine unangenehmere Nuance an. Eilig brechen wir nach Khartoum auf, um den erkrankten Stefan ins Hospital zu bringen. Mitten in der Nacht, nach einem Helldrive durchs dunkle Khartoum, erreichen wir endlich das Krankenhaus und nach mehreren Stunden und Infusionen, nehmen wir ihn, aufgrund der unsagbaren Zustände im Krankenhaus, lieber wieder mit. Mit den ersten Sonnenstrahlen sinken wir in unsere Betten. In Khartoum erleben wir die grösste Attraktion der ganzen Gegend. Mit der untergehende Sonne schlägt uns der Tanz der Derwische in seinen Bann. Nachdem man Allah ausreichend was vorgetanzt hat, geht es gemütlich über zu Tee und Kringlies. Hier erfahren wir auch Geschichten aus dem wahren Leben und vom Kamel. Wir lernen die 4 sudanesischen Kamelgrundregeln kennen: - In Ägypten gibt es keine Kamele Was ein Glück, dass bei diesem wirklich ernsten Thema die Sudanesen auch ein klein wenig Flexibiltät zeigen, denn ihre Kamele sind eigentlich Dromedare! Während Stefan sich auf dem Campingplatz in Khartoum auskuriert, fahren wir nach Norden zu den “Schwarzen Pyramiden” Nach den vielen gemeinsamen Wochen geniessen wir die einsame Zweisamkeit und träumen von einem selbstgegrillten Stück Fleisch am Lagerfeuer hinter der Düne. Um diesen Traum zu verwirklichen stoppen wir in einem kleinen Ort um Fleisch zu kaufen. Vorsichtshalber haben wir noch ein paar Vokabeln Arabisch gelernt, doch leider erfahren wir recht schnell, dass diese uns nicht weiterhelfen. Schnell findet uns aber ein angeblich Englisch sprechender Führer. Sein enormer Wortschatz, der sich auf “Hello, Yes, No und Coke” beschränkt hilft uns enorm weiter. Dennoch folgen wir ihm frohen Mutes und lernen dabei das halbe Dorf und alle seine Freunde kennen. Unser Rundgang endet auf dem Viehmarkt. Uns werden die verschiedensten Ziegen vorgeführt und wir überlegen, wie wir aus dieser Nummer wieder herauskommen sollen. Eifrig wird die Güte und Qualität der einzelnen Tiere angepriesen. Festes Fleisch, gute Zähne, glänzendes Fell oder ein junges Zicklein seinen doch wunderbar. Irgendwann erkennen auch die Sudanesen, dass eine ganze Ziege -die vor Allem auch noch meckert- doch zu viel ist für zwei Personen. Prompt wird uns eine angemessene Auswahl Hühner (natürlich lebendig) vorgelegt. Es macht sich allgemeine Verständnislosigkeit breit, als wir noch nicht einmal dieses gute Angebot annehmen. Erst als wir den Sudanesen mit Händen und Füssen klar machen können, dass wir gerade heute, ausnahmsweise, kein Fleisch mit Haaren oder Federn haben wollen, verstehen sie. Daraufhin werden wir zu einem Kaffee eingeladen und alle sind fröhlich, dass doch zumindest mal zwei Touristen im Ort gewesen sind. Nun sitzen wir am Abend halt ohne Grillfleisch und ohne Lagerfeuer hinter der Düne und essen bei Kerzenlicht Brot mit Leberwurst, die wir von zu Hause noch dabei haben - auch nicht schlecht!!! Zurück in Khartoum hamstern wir ein letztes Mal Sprit, Wasser, Konserven und Grapefruites für den ungewissen Weg durch Äthiopien. Back on the Road geht es nach Südosten und ein letztes Mal geniessen wir Buschcamping in aller Ruhe. Abends schauen ein paar Beduinen mit Ihrer Kamelherde bei uns vorbei und freuen sich über ein paar Zigaretten von Alex und Kekse aus unserem Vorrat. Die gemütliche Ruhe ist früh am nächsten Morgen fast zu Ende. Mit der aufgehenden Sonne nähern sich uns die Beduinen vom Vorabend; “Hello - Salam ...” In unserem Camp regt sich Nichts und Niemand, also setzen sich die Jungs genau soweit entfernt, damit sie einen guten und bequemen Blick in unser Dachzelt werfen können um keine Regung zu verpassen. Die erste Regung kommt von Peter aus dem Zelt der Motorradfahrer und für uns beide beginnt ganz grosses Kino aus dem Dachzelt: Unsere neuen “Freunde” haben zum Dank für unsere Gastfreundschaft vom Vorabend eine Schüssel frische, noch warme Kamelmilch dabei und Peter -der Glückliche- darf sofort davon kosten! Die Konversation kommt langsam in die Gänge. Peter zeigt auf sich, “Peter”; dann zeigt er auf Carmen, “Carmen”, und nun deutet er auf den Beduinen, “Häh???”. Keine Reaktion des Beduinen, aber Peter gibt nicht auf, “Name???”. Und wiederholt mehrfach das Zeigefinger, Peter, Carmen Spiel. Zwischenzeitlich erweitert Peter seine Bemühungen und schlägt ein paar gängige Muslimische Namen vor: “Mohamed, Mustafa, Osama, Ali??? Die Reaktion des Beduinen bleibt konstant, lediglich die Fragezeichen in seinen Augen werden mehr. Schliesslich gibt Peter auf mit den Worten: “Da, geh her, nimm ä Plätzle”. Vor lauter Lachen purzeln wir fast aus dem Dachzelt und erlösen Peter von seinem einsamen Dialog. Bewaffnet mit unserer Sofortbildkamera gehen wir des Beduinen Kamel loben und lassen ihn vor seinem Prachtexemplar posieren. Begeistert sieht er sich auf dem Polaroid selbst erscheinen, stellt aber sehr schnell enttäuscht fest, dass er seinen Schal nicht männlich genug drapiert hat. Er überkreuzt ihn auf der Brust und verlangt eine zweite Aufnahme. Glücklich zieht er schleunigst von Dannen, denn er muss seine Kamelherde, die sich am Horizont bereits verselbständigt hat, wieder zusammentreiben. Und wir stehen da mit ein paar Litern frischer Kamelmilch. Wir sichten die ersten Rundhütten im goldenen Morgenlicht und während wir einem verdutzten Mädchen an der Strasse 5 Liter Kamelmilch schenken wissen wir, das wirkliche Afrika ist nahe. Doch zuerst geht es nach Äthiopien.
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