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20.11.2007 - 08.12.2007 Äthiopien Wir überqueren die Grenze nach Äthiopien in nur ca. einer Stunde und genauso schnell ist auch die Aspahltstrasse zu Ende. Auf wundervoller Schotterpiste ziehen wir mit 80 km/h prachtvolle Staubfahnen hinauf in die Berge. Kurz vor unserem Tagesziel, Gonder, zwingt uns ein großer Nagel in Carmens Hinterreifen das Nachtlager bei einem kleinen Dorf aufzuschlagen. Schnell lernen wir kennen, was wir alle vom Höhren-Sagen wissen und bisher noch nicht erlebt hatten: binnen Sekunden sind wir umringt von 30 Kindern. Wir sind jedoch clever, während sich die Einen um das Lager und das Essen kümmern, kümmern sich die Anderen um die Ablenkung der Kinder. Das begehrte Gut nennt sich hier Highland (die hiesige Mineralwassermarke, auf deren leere Plastikflaschen die Kinder scharf sind). Naja, denken wir uns, wenn sie Highland haben wollen, dann sollen sie auch Heiland bekommen und Grit beginnt in freier Interpretation: “Es begab sich aber zu der Zeit ...” mehr mit Gestik und Mimik, denn mit Worten, die Geschichte von Maria und Joseph und der Geburt des Heiland zu berichten. Besonders die Stelle, an der die Hochschwangere Maria auf dem Esel reitet erfreut sich enormer Beliebtheit in Äthiopien. Inzwischen sind die Lichter unseres Lagers gelöscht, ein jeder ist zu Bett gegangen, ein jeder? Nein, die Kinderschar sitzt natürlich noch immer erwartungsvoll im Halbkreis um unser Lager. Schon vor dem Morgengrauen sind wir bereits wieder (oder immer noch?) umringt. Am Morgen sind aber die meisten der Kinder auf dem Weg zur Schule und entsprechend bepackt. Nachdem wir kurz geprüft haben, ob auch alle ihre Hausaufgaben gemacht haben und wir uns wundern, dass sämtliche Schulbücher in Englisch sind (wovon man bei der Kommunikation wirklich gar nichts merkt), fahren wir fröhlich winkend davon. Das Winken wird uns nun durch ganz Äthiopien begleiten, denn stets und immerzu ist winken die beste Variante die Kinder von Steinwürfen abzulenken. So fahren wir dauerwinkend durch die Berge und versuchen dabei verschiedene Varianten, von denen päpstliches Winken weitaus weniger Gefallen findet, als heftiges, überschwengliches Beidhandwinken. Übrigens, auch der dezente Gruß Ihrer Könglichen Majestät, der Königin von England, findet wenig Anklang. Auf unserem Weg nach Bahir Dar stellen wir fest, dass die sehr gute Asphaltstrasse am wenigsten für die Autos gemacht wurde. Hauptnutzer sind hier Fussgänger, vollgepackt mit Waren aller Art, Eselkarawanen, Lastkarren, Ochsengespannen, Schafen, Ziegen und Kuhherden. Hin und wieder auch ein Kamel (wohl wahrscheinlich aus dem Sudan). Völlig unerwartet finden wir in Bahir Dar ein kleines Paradies am See. Hier leben Pelikane, Kolibris, Hornbills, Fischadler, Geier und Marabus einträchtig nebeneinander. Gerne wären wir hier ein paar Tage länger geblieben, aber hier in Äthiopien lockt das Weltkulturerbe, die Felsenkirchen von Lalibella. Und so verlassen wir dieses wundervolle Fleckchen Erde und begeben uns noch ahnungslos auf die grauenvollste Strasse der Welt. Kaum ist das malerische Bergland erreicht, sind wir Mitten im Gebiet des You-You-Clans und es ist schier unvorstellbar, welche Szenen das Leben auf der knapp 400 km langen Strecke im äthiopischen Hochland bietet. Die Strasse durchquert ein wundervolles Gebirgsmassiv mit endlosen Hochebenen und folgt dabei dem natürlichen Verlauf des Gebirges. Mehrmals täglich erreichen wir eine Höhe von 2.500 m bis 3.000 m um direkt danach wieder auf weit unter 1.500 m “herunter zu fallen”. Wir erklimmen den höchsten Punkt dieser Fahrt auf weit über 3.500 m und selbst hier wächst noch Weizen, Ackerbau soweit das Auge reicht. Wir durchfahren wunderschöne, fruchtbare, kultivierte Landschaften, Täler, Pässe, Hochebenen, die uns an die Schweiz erinnern, nur wesentlich weitläufiger, aber das ist ja auch nicht wirklich schwierig. Leider gibt es bei all dieser Landschaftlichen Schönheit auch ein paar traurige Aspekte. Das Land ist unermesslich überbevölkert. Wohin man sieht, sieht man Menschen, Menschen, Menschen. Kaum ist ein “Weisser” in Sichtweite beginnen, meist die Kinder, ziemlich ruppig, auch gerne aus der Entfernung oder ein paar hundert Meter den Berg hinunter, Forderungen zu stellen: You - Give the money!! - No!- Da bleibt einem nur fröhlich winkend mit traurigem Herzen weiter zu fahren. Zu diesen zahlreichen Menschen in den zahlreichen Dörfern gesellen sich auch zahlreiche Hilfsprojekte aller Art, wir sind erstaunt wofür man alles ein Projekt entwickeln kann! Jede Pharma Gesellschaft, jede Entwicklungshilfegesellschaft der Welt ist hier mit einem schönen grossen Schild vertreten. Man könnte die Landschaft fast für ein Adressbuch der Entwicklungshilfe halten! Ob dies in direkter Relation zum fordernden Verhalten der Kinder steht? Auch die Strasse ist in einem bedauerlich bemitleidenswertem Zustand. Strasse ist eigentlich zuviel gesagt; wie sollen wir diesen Alptraum beschreiben? Wir wissen es nicht und lassen es daher, denn jeder Versuch würde es nur schön reden. Jetzt wissen wir jedenfalls, wohin unser Abgaben an die UN fliessen. Direkt an Toyota, in brandneue, aufgemotzte Landcruiser mit jedem erdenklichen technischen Schnickschnack! Übrigens, auch die mildtätigen, Spenden finanzierte Hilfsorganisationen fahren diese Modelle. Schon von weitem hören wir Lalibella. Wir dachten immer der Muezin wäre ein eifriger Ausrufer seines Glaubens. Weit gefehlt, die äthiopisch orthodoxe Kirche von Lalibella, beschallt ihre Bevölkerung Tags wie Nachts, ununterbrochen mit ihren Glaubensbekenntnissen, nicht etwa in der Landessprache, nein, die Kirche hat eine eigene Sprache deren Verstehen allein der Kirchenobrigkeit vorbehalten bleibt. Auf seine eigene Art haben uns die in den Stein geschälten Kirchen von Lalibella jedoch enorm beeindruckt. Wir starten unsere vermeintlich letzte Tagesetappe nach Addis Abeba. Man verspricht uns gute Asphaltstrassen bis in die Hauptstadt. Während wir mit unserem Schluckspecht noch an der Tankstelle stehen, wollen die Anderen schon einmal gemütlich der Asphaltstrasse folgend voraus fahren. Wir hetzen den Anderen hinterher um aufzuholen, allerdings sind weder Asphalt noch unsere Mitfahrer in Sicht. So fahren wir, und fahren auf der angeblich asphaltierten Strasse nach Süden. Wir passieren irgendwann eine wundervolle Informationstafel mit einem Kreis gelber Sterne auf blauem Grund und dem wundervollen Schriftzug: “Road ahaed sponsored by the EU” und freuen uns auf die schnellsten und angenehmsten 40 km Wegstrecke ganz Äthiopiens. Dennoch erreichen wir, noch immer alleine, Addis Abeba einen weiteren Tag später als geplant. Hier gönnen wir uns ein wenig Luxus. Während wir am Pool des Hilton Hotels sitzen und einen absolut unafrikanischen Mittagssnack geniessen, trudelt, einen Tag nach uns, auch schon der Rest unserer kleinen Gruppe in “Addis” ein. Als wir, vor der Etappe nach Addis Abeba noch tanken waren und sie schon einmal gemütlich voraus fahren wollten, sind sie glücklich mehr als 50 km der “versprochenen” Asphaltstrasse gefolgt, leider ging diese in die falsche Richtung. So wurden aus “den Gejagten die Jäger”, doch eingeholt haben sie uns und unseren flinken Volvo nicht. Nach der wahrlich mörderischen Strecke, die wir durch das äthiopische Hochland hinter uns gebracht haben, ist nun “Wundenlecken” angesagt. Mensch und Material wird in Äthiopiens Hauptstadt wieder in Schuss gebracht und für die angeblich übelste Wellblechpiste der Welt durch den Norden Kenias vorbereitet. Auf halber Strecke zur kenianischen Grenze liegt das kleine und beschauliche Städtchen Awassa, wo wir einen letzten, erholsamen Zwischenstopp eingeplant haben. Das Guesthouse dort wird von einem deutsch-äthiopischen Paar geführt und die beiden haben neben einem friedlichen Platz auch Informationen über Routenalternativen für uns. Besonders die Route durch das Omo-Tal in Äthiopien über die “Green Border” am Lake Turkana nach Kenia einzureisen hat es uns beiden angetan. Auf dieser untouristischen Strecke durchs weit entfernte Hinterland soll man noch afrikanische Stämme erleben können, die noch in traditioneller Kleidung in traditionellen Dörfern leben. Doch das Ganze scheint seinen Preis zu haben. Aus einem Bericht, der ca. ein halbes Jahr zuvor entstand, entnehmen wir folgende “short facts”: keine Tankstelle während mehr als 1.000km; unzählige Flussdurchfahrten, die von kaum wahrnehmbar bis reissende Strömung (abhängig vom Regen im weit entfernten Gebirge) reichen; Temperaturen von mehr als 50° C und Piste, die teilweise nur zu erahnen ist und oft vielmehr einem ausgetrockneten Gebirgsbach gleicht. Dauer der Fahrt bis nach Nairobi ca. 8 Tage. Wir kaufen also noch schnell 3 Kanister zu je 20l, in denen ehemals Bratfett verkauft wurde (damit erhöhen wir unseren Spritvorrat auf insgesamt 280l Benzin und unsere Reichweite im Gelände auf ca. 1.400 km), bunkern ca. 150l Trinkwasser, erhöhen den Vorrat an Motoröl auf 25l, packen noch ein paar Schnellreperaturkits wie Eier (Kühler), Banane (Getribeschmierung), Kaugummi(Kleben,dichten), verabreden mit Peter, dass wir uns nach spätestens 10 Tagen bei ihm melden werden, andernfalls wird er eine Suchaktion starten und fahren los. Die erste Tagesetappe ist sehr kurz und endet schon nach wenigen Stunden an der letzten Tankstelle, wo wir die Nacht vor dem ausgebuchten Guesthouse auf dem Parkplatz verbringen. Doch der Weg dorthin lässt uns schon das erste Mal an unserem Vorhaben Zweifeln. Denn auf den gerade Mal 180km, die zudem auch noch asphaltiert sind, verabschiedet sich fast Zeitgleich der Faltenbalg (Staub- und Wasserschutz) unserer Kardanwelle und die Achsmanschette vorne Links springt mal wieder aus der Halterung (ca. 1l Ölverlust am Tag aus der Vorderachse). Somit beginnt der nächste Tag mit Schrauben und der Aussage eines Ortsansässigen, dass die Strasse, die wir gleich fahren wollen, zwar Piste ist, aber diese viel besser als Asphalt sein soll. Wir verlassen also frohen Mutes, die Aussagen des Mannes noch im Ohr, die Strasse und wer sagts denn, die Piste ist prima, total super, fast so gut, wie die Piste durchs Äthiopische Hochland - das GRAUEN!!! Doch wir können nicht sagen, der Mann hätte gelogen, denn schon nach ca. 50km (2 Stunden) wird die Strecke tatsächlich besser und schon bald brausen wir bester Laune mit 90km/h durch wundervolle Landschaften. Ab und zu (eher selten) werden wir abgebremst von einer kleinen Flussdurchquerung (mehr Rinnsale denn Flüsse) und hin und wieder (eher öfter) machen wir staubige Vollbremsungen für ein paar Photos. Wir können auch nicht behaupten, dass uns im Vorfeld zu dieser Strecke zu viel versprochen wurden, den stetig werden die Pisten ein wenig weniger, die Besiedlung spärlicher und die Anzahl von Fahrzeugen, die uns begegnen strebt gegen Null (insbesondere Fahrzeuge, in denen Touristen sitzen). Dagegen fahren wir langsam in die Regionen ein, in denen die Menschen tatsächlich noch mehr oder weniger in traditionellem Stil leben. So glaubt man zumindest im Vorbeifahren, denn bei genauerem Hinsehen haben moderne Textilien, die traditionelle Kleidung schon in vielen Fällen abgelöst. Und als wir für ein Photo von 2 Mädchen ca. 10 US Dollar bezahlen sollen, die uns ein junger Bursche im “Ronaldo Fussballtrikot” abknöpfen will, der auch schon den Quittungsblock gezückt hat, fühlen wir uns wie im Freilichtmuseum. Die beiden Mädchen sind mit der Polaroidaufnahme von sich, das sie als Dankeschön von uns bekommen haben, auch viel glücklicher, als wenn der Bursche Geld bekommen hätte, von dem sie ohnehin (fast) nichts zu Gesicht bekommen hätten. Irgendwann mündet der, ohnehin kaum noch erkennbare, Weg in eine weite Ebene aus Sand und Büschen und Flussbetten. Wir folgen dem, was einmal die Spur eines Autos gewesen sein könnte und der Peilung unseres GPS Gerätes. Solange beides uns grob in dieselbe Richtung führt können wir so falsch nicht sein. Und nach ein paar Kilometern sagt uns die Satellitentechnik, wir sind drin, in Kenia ... |
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